Mittwoch, 11. Juli 2012

Alte Briefe

   Vor kurzem bekam ich Post von einer Tante: ein dicker Umschlag mit Kopien von Briefen vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis in die 20er-Jahre, geschrieben von ihrem Ur- (also meinem Urur-)großvater, seiner Tochter und deren Töchtern (deren eine also meine Großmutter war).
Meine Tante hatte die Briefe für ihre Kinder und Nichten in heutige Druckschrift "übersetzt", aber ich stellte fest, dass ich die alte deutsche Schrift, wenn sie so schön und klar geschrieben ist, recht gut lesen konnte. Man spürt förmlich, wie langsam und bedächtig die Buchstaben mit Tinte und Feder gemalt wurden.


   Es hat mir unglaublich Freude gemacht, diese Briefe zu lesen. Obwohl - oder gerade weil - gar nichts Weltbewegendes drinstand. Es sind ganz alltägliche Begebenheiten, Nachrichten aus dem Familienleben, die man sich damals eben per Brief mitteilte, so zwei- bis dreimal pro Monat mindestens. Zum Beispiel (vom 73-jährigen Ururgroßvater, der ein Bauer war, im Jahre 1900):
"Mit dem Obst haben wir die beste Aussicht. Der Frost hat scheint's nichts geschadet, es hat alles so schön geblüht, dass man sich gar nicht sattsehen konnte." Oder (von demselben): "Das Essen und Trinken ging jetzt auch soweit wieder, aber schon ein paarmal bekam ich das Übel wieder in meinen Magen und Schmerzen, dass ich ein paar Tag darob zu leiden habe und wieder geschwächt werde und bangen Herzens etwas genieße. So muss ich eben jetzt wieder DASEIN und den Kampf mit demselben wieder weiterführen, nur ist das mein Trost, dass es bei meinem Alter nicht mehr lang dauern wird, wo mein Lebensschifflein durch Gottes Gnad und Christi Blut in den Hafen des ewigen Friedens einlaufen darf."

  Schön, oder? Ich lese sowas so gerne. Der Alltag mit seinen Freuden und Leiden wird zur Sprache gebracht, mitgeteilt, gewürdigt (in manchem ist er dem unseren gar nicht so unähnlich...). Und man darf sich auf eine Antwort freuen.

  (Versuchen wir nicht mit dem Blogschreiben teilweise etwas ganz Ähnliches - mit den Kommunikationsmitteln unserer Zeit? Darüber muss ich mal nachdenken...).








2 Kommentare:

  1. Wunderbar, diese alten Briefe! Wir haben hier zwar keine Briefe gefunden, aber ein paar alte Dokumente, wo festgehalten ist, wer wie viele Kühe, Schweine etc. hatte. Es ist nichts Weltbewegendes oder gar große Literatur, aber schon allein die Schrift, das Wissen um das Alter der Tinte... und wenn ich mir vorstelle, wann-wie-wo-von wem-warum... da etwas aufgeschrieben wurde: einfach wunderbar!
    Danke für das Teilen - ich sitze gerade mit einem Lächeln hier, das ist schön! Alles Liebe. maria

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  2. Es ist so schön zu erfahren, wie Leute vor Jahrzehnten gelebt haben und erataunlicherweise waren sie uns so ähnlich. Ich liebe die alte Handschrift. Ich habe alte Briefe zu Hause gefunden und einer als Wandbild aufgehängt.
    LG,
    Annelliese

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