Das große Labyrinth aus der Kathedrale von Chartres war vor ein paar Tagen in meinem Adventskalender abgebildet (diesem hier, von dem ich weiß, dass er einige von euch ebenfalls durch den Advent begleitet).
Schon seit einigen Jahren bin ich von Labyrinthen fasziniert. Während eines Aufenthalts bei den Franziskanerinnen von Reute habe ich mich zum ersten Mal näher damit beschäftigt. Dort gibt es nämlich ein ganz besonderes, ein Duft-Labyrinth. Mit zahllosen Duftpflanzen entlang des Weges, die einen immer wieder zum Innehalten, Hinunterbeugen und Schnuppern einladen.
Nachdem ich das Thema einmal entdeckt hatte, hat es mich immer wieder eingeholt, angesprochen und begleitet. Das uralte Symbol des Labyrinthes hat vielschichtige Bedeutung und kann auf mannigfaltige Weise "gelesen" werden. Mir wird es immer wieder zu einem Bild meines eigenen Lebensweges und der Suche nach dem Wesentlichen, nach der "Mitte" meines Daseins, von der ich mich oft so weit entfernt fühle und von der ich weiß, dass sie doch immer da ist, wenn auch verborgen, und dass ich sie bewusst oder unbewusst immer umkreise.
Schon einige Male habe ich es erlebt, dass ich aus einer scheinbar ausweglosen (inneren oder äußeren) Situation auf einmal herausfand - als sei ich nur eben um eine Wegbiegung herumgegangen und sähe nun das Ziel ganz nahe vor mir. Ich spürte, dass ich auf dem Weg zu mir selbst (der ja auch immer ein Weg zu den Anderen ist) ein großes Stück weitergekommen war. Nach einiger Zeit aber ließ dieses Hochgefühl wieder nach, und ich zweifelte an mir selber: War ich nun nicht wieder am selben Punkt, den ich doch endlich hinter mir gelassen zu haben glaubte? Kam ich denn überhaupt vorwärts? Oder hatte ich mir das nur eingebildet?
Das Labyrinth sagt mir: Du bist nicht mehr da, wo du warst. Du bist wirklich weitergekommen auf deinem Weg. Aber der Weg führt dich nicht in einer geraden Linie aufs Ziel zu. Er umkreist es, und so wirst du immer wieder einmal das Gefühl haben, weiter von der Mitte entfernt zu sein als zuvor. Vertrau dem Weg. Er wird dich ans Ziel führen, auch wenn du ihn nicht klar und überschaubar vor dir siehst. Wichtig ist, dass du weitergehst, Schritt um Schritt. Und dass du nicht vergisst, wo du hin willst.
Dazu noch ein Text von Gernot Candolini, der einige schöne Bücher zum Thema "Labyrinthe" geschrieben hat:
Das Labyrinth
ist ein Rätsel.
Ein Spiegel
der Seele,
ein Gleichnis
des Lebens.
Wer ein
Labyrinth begeht,
macht sich
auf einen Weg der Wandlung.
Ich bin an
den Rand geraten.
Ich habe mich
einen langen Weg gemüht
und bin
weiter weg vom Ziel, als je zuvor.
War der
Lockruf zur Mitte eine Täuschung?
Gott möchte
uns das ganze Universum zeigen,
deswegen gibt
es keinen geraden Weg zur Mitte.
Einen Weg
gemeinsam zu gehen gibt Kraft.
So ist eine
Durststrecke leichter auszuhalten
und die
Schritte werden sicherer.
Dennoch muß
jeder seinen Weg alleine gehen,
mal mit
Begleitung,
mal gegen den
Strom,
mal in
ehrlicher Gemeinschaft
mal vater- und
mutterseelenallein.
Irgendwann
stehen wir alle
im äußersten
Ring des Labyrinths
und
verfluchen das Leben
in das wir
geraten sind.
Auch wenn der
äußerste Ring der längste ist
wendet sich
der Weg doch wieder nach innen.
Das Labyrinth
spricht die Urbotschaft des Geistes aus:
Komm zur
Mitte und lass dich verändern.
Christus ist
der Freund der Wanderer
in allen
Lebenslagen.
Er bleibt
solidarisch,
in Leid und
Freude,
in Nähe und
Ferne.
Er ist Anfang
und Ende jeden Weges.
Er ist ein
unablässig Wartender,
in der Mitte
des Labyrinths.
Anzukommen
ist der Lohn aller, die aufgebrochen sind.
Auch wenn das
einzelne noch so verwirrend ist,
auch wenn der
Weg von noch so vielen Umwegen gekennzeichnet ist,
auch wenn das
Herz sich abschnittsweise noch so verloren fühlt:
Im ganzen
Überblick ist
die
Vollkommenheit und Schönheit des Weges jedoch erstaunlich.