Ja, das habe ich gestern geschrieben im letzten Satz, eine Stunde nach Mitternacht. Wohl wissend um die Doppeldeutigkeit dieses Wortes "heimgehen", aber nicht ahnend, dass der Abschied so nah sein könnte. Mein Vater hat es des öfteren gesagt, auch als er noch daheim war: "Ich will endlich heimgehen!" Wenn ich ihn dann daran erinnerte, er sei doch daheim, konnte er sagen: "Aber es fühlt sich nicht so an."
In der Klinik benutzte er das Wort nur noch im Zusammenhang mit dem Schlafengehen, wenn er sehr müde war (meist schon vor dem Abendessen): "Ich will jetzt heim und ins Bett!"
Und in den letzten Wochen im Pflegeheim hatte ich das Gefühl, dass er keine wirkliche Vorstellung von "daheim" mehr hatte. Als er wieder einmal davon sprach, er wolle heimgehen, sagte ich: "Meinst du da, wo die Bethe ist?" (meine vor fünf Jahren verstorbene Mutter). Da nickte er: "Ja, da!" Ich glaube nicht, dass er da ans Sterben dachte, aber wohl an sein früheres Leben, das ihm jetzt wie eine verlorene Heimat erschien.
Von seinem Tod hatte er allerdings schon seit langem gesprochen und sich sehnlich gewünscht, endlich sterben zu können - eben, weil er sich im Leben nicht mehr daheim fühlen konnte.
Nur wenige Stunden, nachdem ich vom "Heimgehen" geschrieben habe, ist er heimgegangen. Nicht zu Hause in seinem eigenen Bett, wie er es sich eigentlich gewünscht hatte, aber doch ganz ruhig, im Schlaf.
Und wir sind, nach dem ersten Erschrecken und den ersten Tränen (denen sicher noch weitere folgen werden), dankbar dafür, dass er so gehen durfte. So still und rasch, und vielleicht noch mit den Eindrücken eines wunderbaren kleinen Spaziergangs, den wir am Freitagnachmittag bei warmer Herbstsonne mit einem geliehenen Rollstuhl im benachbarten Park genossen haben, der auf der Anhöhe liegt und von wo man einen weiten Rundblick über Stadt, Land und Weinberge hat. Da meinte er, dies sei doch das schönste Fleckchen in der ganzen Stadt und er würde ganz gerne da wohnen...
Ich hoffe und glaube, dass er jetzt endlich da angekommen ist und wohnen darf, wo er sich so sehr hingewünscht hat. Im Licht, in der großen Liebe. Daheim.
Die Bilder sind von meinem Vater, sie sind vor ein paar Jahren entstanden, als er die "Enkaustik" entdeckt und damit experimentiert hat. Man arbeitet dabei mit Wachsfarbe und einem speziellen kleinen Bügeleisen.