Mittwoch, 8. Februar 2017

"Übrigens...

...mir ist da was Dummes passiert!" sprach der große Sohn und zog den Lieblingspullover aus dem Koffer. Den von der Mama vor Jahren gestrickten und seither im Winter ständig getragenen, trotzdem immer noch fast wie neu aussehenden: aus Merino extrafein in sanftem Anthrazit, null Pilling, schönes Maschenbild, die beste Qualität, die ich je verstrickt habe.


Ja, und was war nun passiert?
Er hatte sich nur kurz an einen Türrahmen angelehnt. Einen frisch gestrichenen. Dumm gelaufen. "Meinst du, das kriegt man wieder hin?"


Mir kamen fast die Tränen... Allerdings war ich recht zuversichtlich, dass die chemische Reinigung das schon hinbekommen würde - Chemie gegen Farbe, da gab es doch bestimmt irgendein Gegengift.
Dem war aber leider nicht so, zumindest nicht bei Farbe auf Wolle. Die Reinigungs-Angestellte erklärte mir, dass das nicht ohne "mechanische Bearbeitung", sprich Rubbeln und Scheuern, gehe. Und das geht nun eben bei Wolle gar nicht. Die geht dabei kaputt.
Da der Pulli so, wie er war, nicht mehr zu gebrauchen war, beschloss ich, damit herumzuexperimentieren. Ich löste zwei Packungen schwarze Stofffarbe (solche, die auch zum Wollefärben geeignet ist) in fünf Litern heißem Wasser auf und legte das gute Stück hinein. Da die Temperatur über mehrere Stunden gehalten werden musste und mein größter Kochtopf immer noch zu klein war, erinnerte ich mich an den alten, schwarzblau emaillierten Gänsebräter (hierzulande "Ganskachel" genannt) meiner Oma, der im Keller verstaubte. Auch der war mit Wolle und Farbbrühe randvoll und ich musste sehr vorsichtig umrühren. Am Ende der ganzen Prozedur war klar, dass sich Lackfarbe nicht einfach mit Stoffarbe übertönen lässt. Sie muss irgendwie aufgelöst werden.


Ich suchte im Netz und fand den Rat: Aceton. Also besorgte ich mir in der Apotheke ein Fläschchen des durchdringend duftenden Zeugs und machte mich tupfend und rubbelnd an die Arbeit. Die nur schwach betroffenen Stellen ließen sich erstaunlich leicht säubern. Wo aber dick weiße Farbe saß, war es mühsam und nicht wirklich erfolgreich. Da ich nichts zu verlieren hatte, probierte ich es mit einer neuen Technik: ich nahm richtig viel Aceton,  rubbelte und rauhte die nasse Oberfläche auf und begann dann mit einer Nagelschere ganz vorsichtig möglichst viel weiße Farbe mitsamt den feinen Wollfasern an der Oberfläche ganz flach abzuschneiden.





Es war ein elendes Gefummel, aber am Ende war vom Weiß - immerhin - nur noch ein heller Schatten übrig. Nicht wie neu, aber doch tragbar, wie der Filius befand ("...die Leute gucken mich ja mehr von vorne als von hinten an!").  :-)


Fazit: Qualität zahlt sich aus - ein weniger wertvolles Garn hätte diese Behandlung bestimmt nicht so gut verkraftet. Glück gehabt!

15 Kommentare:

  1. Also ich würde das jetzt auch tragen, man sieht fast nichts mehr. Und gerade bei Wolle würde ich auch immer zur teureren Sorte greifen. Man steckt soviel Mühe und Arbeit und man möchte es nach dem ersten Waschen nicht wieder weg werfen. Und wie du schon geschrieben hast, so eine Prozedur hätten einige Wollesorten nicht überlebt. Freut mich das du den schönen Pulli retten konntest.
    Liebe Grüße
    Papatya

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  2. Erstaunlich, was du geschafft hast. Glück gehabt der Sohn. Liebe Grüße

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  3. Da liegt eine Menge Herzblut drin, die einen Menschen tatsächlich veranlasst, keine Mühe zu scheuen. Wozu man dann in der Lage ist hast Du eindrücklich beschrieben. Es bewahrheitet sich wieder einmal: Ausdauer und Geduld lohnen sich.

    PS: Mein Stangensellerie ist inzwischen etwa vier Zentimeter nachgewachsen :-)

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  4. Na, die Prozedur hat sich gelohnt, würde ich sagen! Wie schön, dass der Pulii wieder tragbar ist. In diesem Pulli steckt nun noch mehr mütterliches Herzblut!:-)
    Und der Sohn wird jetzt immer erst testen, bevor er sich wo anlehnt...
    Herzliche Grüße,
    Gina

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  5. Viel Arbeit, aber die lohnt sich bei einem selbstgestricktem Stück. Sieht wieder richtig gut aus. Was war es denn genau für eine Wolle? Weißt du das noch? Du hast mich neugierig gemacht.
    Liebe Grüße, Birgit.

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    1. Leider habe ich keine Banderole aufgehoben - reine Merino und jedenfalls nicht billig...

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  6. Hallo Brigitte,
    was für ein Pech aber auch. Den Pulli hast du wunderbar gestrickt und der Aufwand hat sich gelohnt, es ist zwar nicht ganz rausgegangen, aber man kann ihn wieder tragen. Und es ist unwahrscheinlich viel Farbe rausgegangen, das hätte ich nicht gedacht. Toll!
    LG zu DIr
    Manu

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    1. Ich war auch überrascht, dass das mit dem Abschneiden ging. Wolle ist eben ein tolles Material, die Farbe saß mehr obendrauf als innendrin.

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  7. Dieses Ergebnis hätte ich ehrlich nicht für machbar gehalten! Aber ich bin froh, das du das so ausführlich beschrieben hast. Qualität und Geduld, das bewahrheitet sich letztlich doch immer wieder. Alternativ kam mir ein farbiger, gestrickter und aufgenähter Streifen in Türrahmenbreite in den Sinn. Und der aktuell angeschlagene RVO ist auch für den Jungen?
    Mach's gut, Birgit

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    1. Nee, der RVO wird für mich. Der Junge hat aber wieder einen Wunsch: Rundhals, schlicht rechts und "so'n dunkelrot mit irgendwie solchen bunten Punkten drin - also nicht wirklich Punkte..." (ich nehme an, Tweedwolle, sein Freund hat so einen). Weiß ich also schon, was er nächstes Weihnachten bekommt... ;-)

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  8. Liebe Brigitte,
    ich bewundere deinen Langmut.
    Zuerst solche Schwierigkeiten beim Stricken und nun auch noch diese Bewährungsprobe: Applaus!
    Als du schriebst, du wolltest mit Farbe experimentieren, dachte ich, du würdest noch etwas zusätzliches "Muster" auf den Pulli bringen, um das Maleur sozusagen zur Tugend zu machen...
    Mit meinen bemalten T- Shirts funktioniert das ja ganz ähnlich.
    Claudiagruß

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    1. Haha, ja, das wäre auch noch eine Option gewesen... allerdings fühlt sich so eine Tür-Lackfarbe auf Wolle ganz übel an, steif und rauh. Und weiß auf Schwarz wäre wohl auch bei T-Shirts schwierig... :-) Die allerletzte Option wäre gewesen, ein möglichst ähnliches Garn zu finden und das Rückenteil neu zu stricken. Bin aber froh, dass mir das erspart blieb.

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