Es wird Zeit. Wirklich. Allerhöchste Zeit, diesem meinem Blogpflänzchen wieder einmal etwas Nahrung zu geben, sonst könnte es mir noch verhungern...
Es ist nicht so, dass mir nichts mehr eingefallen wäre, worüber ich schreiben könnte. Aber angesichts der aufwühlenden Ereignisse in benachbarten und auch in weiter entfernten Teilen der Welt, die uns die Nachrichtensendungen ins Haus brachten, fiel es mir irgendwie schwer, mich über das Wetter, grippale Infekte oder selbstgestrickte Socken auszulassen. Und über die Geschehnisse selber in angemessener Art zu schreiben, ohne nur zu wiederholen, was andere schon in klare, zornige oder auch nachdenkliche Worte gefasst hatten, dazu fehlte mir die Energie. Es erschreckt mich selber, ich habe ein lahmes Gefühl dabei, eine gewisse Müdigkeit macht sich breit, immer wieder neue, unerträgliche Geschichten in mich aufnehmen zu müssen, von denen ich mit schrecklicher Gewissheit weiß, dass sie wahr sind - und dass jeden Tag hunderte anderer schrecklicher Geschichten irgendwo auf der Welt passieren, von denen man nichts erfährt. Natürlich wird auch hier bei uns darüber geredet und sich empört, über Ursachen und Wechselwirkungen diskutiert und darüber, wo Freiheit anfängt und wo sie ihre Grenzen hat. Aber so streitlustig und diskussionsfreudig ich früher war, so erschöpft und überfordert fühle ich mich jetzt manchmal. Ist es das Alter? Ich weiß nicht - mein Vater ist dreißig Jahre älter als ich und legt bei Gesprächen über den Lauf der Welt und die aktuelle Politik oft ein Temperament und eine Schärfe an den Tag, die ich nur bewundern kann. (Ab und zu sagt er aber auch: Ich bin froh, dass ich dies oder jenes nicht mehr erleben werde...).
Viele BloggerInnen haben ja
gleich nach den Mordanschlägen in Paris ihrem Betroffensein (im
Wortsinne: es betrifft uns alle) und ihrem Eintreten für die Freiheit
von Presse, Religion und Weltanschauung, ihrer Ablehnung von Gewalt und
ihrem Widerstand gegen die Verbreitung von Angst und Schrecken durch
religiöse Fanatiker Ausdruck verliehen, indem sie das "Je suis Charlie" -
Logo übernahmen. Ja, dachte ich, das ist gut, das muss jetzt sein! Mach ich auch! Stattdessen fing ich an, über einen Blogtext unter der Überschrift "Bin ich Charlie?" nachzudenken. Und kam zu dem Schluss, dass ich es nicht bin. Erstens, weil ich finde, dass Satire und Karikatur ihren Gegenstand aufspießen, aber nicht mit Dreck bewerfen sollten. Und zweitens - jetzt selbstkritisch -, weil ich nicht weiß, ob ich den Mut hätte, mein Recht auf freie Meinungsäußerung auch dann öffentlich wahrzunehmen, wenn ich damit mein Leben riskieren würde. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht, wenn es um etwas ginge, das mich oder einen geliebten Menschen existentiell beträfe. Man kann es nicht wissen, bevor es soweit ist.
So habe ich gedacht und gegrübelt, statt zu schreiben, und mich davor gedrückt, womöglich etwas Unausgegorenes von mir zu geben, das der Komplexität des Themas nicht gerecht würde... auch das eine Art von Risikoscheu. Auch das etwas, was ich überwinden möchte, abschütteln wie diesen Grauschleier von emotionaler Müdigkeit und In-Ruhe-gelassen-werden-wollen, der momentan sein Gegenstück findet im Blick nach draußen: Schneeregen, Graupelschauer, matschigbrauner Boden überall, Temperaturen knapp über null... brrrr... nicht Fisch und nicht Fleisch. Sehnsüchtig betrachte ich die herrlichen Glitzerschneelandschaften aus höheren Lagen - ich hatte mich in dreißig Jahren Schwarzwald, Alb und "Oberland" so daran gewöhnt, nun fehlt es mir.
Ja, und was kommt jetzt, nach diesem Klagegesang über alles, was nicht geht? Was geht? Martin Luther soll ja mal gesagt haben, dass er, auch wenn er wüßte, dass morgen die Welt unterginge, doch heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen würde. Bitte verzeiht mir die etwas plumpe Anlehnung: ich denke, auch ohne die Augen zu verschließen vor all dem Unerträglichen in der Welt, ist es möglich, Socken zu stricken, Bilder zu malen, Kindern Geschichten vorzulesen und Kuchen zu backen. Und das alles miteinander zu teilen, einander zu inspirieren. Es ist so wichtig, sich nicht lähmen zu lassen, sondern die Freude am Schöpferischen, an Worten, Bildern, Hand-Arbeit zu pflegen und zu teilen. Damit das Andere, die Gegenbewegung zum Zerstörerischen, das Aufbauende auch wächst. Dabei vor den schlimmen Geschehnissen nicht die Augen zu verschließen, sondern das winzige bisschen, was wir vielleicht tun können, zu tun, das ist die Kunst.

So, geschrieben ist es. Jetzt gilt (mit Erich Kästner): "Es gibt nichts Gutes außer: man tut es."
Habt eine gute Zeit, bis bald.