Vom "Tag der zahmen Libellen" habe ich hier vor zwei Tagen berichtet und eine Fortsetzung angekündigt. Nun will ich euch verraten, was ich noch Schönes erlebt habe an diesem Tag.
Die Libellen, die so regungslos an den
Blättern der Sumpfiris saßen, waren
ganz augenscheinlich erst vor kurzem ausgeschlüpft. Die leeren Larvenhüllen hingen noch jeweils unterhalb ihrer vormaligen Bewohnerinnen in mancherlei bizarren Formen und mit einem Loch im Rücken, aus dem weiße Fäden wie eine Art Nabelschnur heraushingen. Ich bedauerte es natürlich sehr, dass ich diese Verwandlung nicht mitbekommen hatte, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen.
Plötzlich bemerkte ich ein schwarzes käferartiges Tier, das aus dem Wasser kam und sich eben anschickte, an einem Blatt hochzuklettern. Ich wurde ganz aufgeregt: das musste so eine Libellenlarve sein, die vorhatte, sich demnächst zu entpuppen!
Etwa eine Stunde lang lag ich da, die Kamera im Anschlag und die braune Gestalt im Blick. Und dann geschah innerhalb von fünfzehn Minuten folgendes:
Ja, und da hing nun die "neugeborene" Libelle kopfüber und schien sich ganz langsam von innen her aufzuplustern. Sie war ja in der engen Hülle unwahrscheinlich komprimiert verpackt gewesen. Nun "wuchs" sie zusehends, und Körper und Beine bekamen allmählich Farbe. Dafür ließ sie sich wieder viel Zeit. Ich hing ebenfalls ziemlich unbequem und halb im Wasser (das Ganze spielte sich nur zehn Zentimeter über der Wasseroberfläche ab), meine Haare und ein Ärmel waren nass und so war ich gezwungen, meinen Beobachtungsposten zu verlassen, um trockene Sachen anzuziehen. Ich beeilte mich und kam keine Minute zu früh zurück, denn plötzlich bog sich die halbgeschlüpfte Libelle nach oben, klammerte sich an der Larvenhülle fest und zog mit einem Schwups ihre andere Hälfte auch noch heraus.
Die nächste Dreiviertelstunde brauchte sie, um im Zeitlupentempo ihre Flügel zu entfalten. Es war faszinierend, beim Zuschauen auch das eigene Zeitempfinden kennenzulernen: die Bewegung war so langsam, dass ich sie nicht direkt wahrnehmen konnte. Aber alle paar Augenblicke merkte ich dann doch, dass die Flügel sich wieder ein bisschen verändert hatten, bis sie schließlich herunterhingen wie zarte, weiche Blütenblätter, die von jedem Windhauch bewegt wurden.
Bis zum Nachmittag war "meine" Libelle dann soweit "gereift" (das klingt etwas merkwürdig, aber es erschien mir tatsächlich wie ein Reifungsprozess), dass sie ihre typische schwarz-goldene Färbung hatte und schließlich auch ihre Flügel ausbreitete. In dieser Haltung saß sie dann vermutlich noch die Nacht über da (vielleicht laufen während dieser Ruhezeit ja noch weitere, mehr innerliche Entwicklungsprozesse ab). Den Jungfernflug habe ich nicht mitbekommen, am nächsten Morgen war sie jedenfalls nicht mehr an ihrem alten Platz.
Im Laufe des nächsten Tages haben noch weitere Libellen an unserem kleinen Teich die Metamorphose vom Wasser- und Schlammbewohner zu einem blitzschnellen geflügelten Räuber der Lüfte vollzogen. Heute war nicht mehr viel los, die meisten Libellen sind weggeflogen, einige saßen noch da. Und ich habe inzwischen auch herausbekommen, um welche Vertreterinnen der großen Familie es sich handelt: Es sind Vierfleck-Segellibellen, die wie alle Libellenarten zu den bedrohten Spezies gehören, die sich aber doch recht gut halten können - nicht zuletzt dank solcher Gartenteiche wie des unsrigen. Ich schaue das kleine Gewässer seither mit neuen Augen an...