Mittwoch, 30. April 2014

...ein Wunder vor meinen Augen...


Vom "Tag der zahmen Libellen" habe ich hier vor zwei Tagen berichtet und eine Fortsetzung angekündigt. Nun will ich euch verraten, was ich noch Schönes erlebt habe an diesem Tag.

                                                       
Die Libellen, die so regungslos an den 
Blättern der Sumpfiris saßen, waren 
ganz augenscheinlich erst vor kurzem ausgeschlüpft. Die leeren Larvenhüllen hingen noch jeweils unterhalb ihrer vormaligen Bewohnerinnen in mancherlei bizarren Formen und mit einem Loch im Rücken, aus dem weiße Fäden wie eine Art Nabelschnur heraushingen. Ich bedauerte es natürlich sehr, dass ich diese Verwandlung nicht mitbekommen hatte, denn so etwas hatte ich noch nie gesehen.
                                                                                        

Plötzlich bemerkte ich ein schwarzes käferartiges Tier, das aus dem Wasser kam und sich eben anschickte, an einem Blatt hochzuklettern. Ich wurde ganz aufgeregt: das musste so eine Libellenlarve sein, die vorhatte, sich demnächst zu entpuppen!

                               
Jetzt war klar: diesen Vormittag musste ich hier draußen verbringen! Ich wusste ja nicht, wie lange es dauern würde, bis sich etwas tat. Aber den Moment wollte ich auf keinen Fall versäumen. Also richtete ich mich wie ein richtiger Tierfotograf auf eine längere Wartezeit ein und holte mir eine Jacke und eine warme Unterlage, denn es war kühl und regnerisch und die Libellenlarve saß an einer Stelle, an die man mit der Kamera nur bäuchlings über dem Wasser liegend herankam. (Mein Mann fand die Aktion ähnlich fotogen wie ich die Libellen...  :-))

Etwa eine Stunde lang lag ich da, die Kamera im Anschlag und die braune Gestalt im Blick. Und dann geschah innerhalb von fünfzehn Minuten folgendes: 

         

























Ja, und da hing nun die "neugeborene" Libelle kopfüber und schien sich ganz langsam von innen her aufzuplustern. Sie war ja in der engen Hülle unwahrscheinlich komprimiert verpackt gewesen. Nun "wuchs" sie zusehends, und Körper und Beine bekamen allmählich Farbe. Dafür ließ sie sich wieder viel Zeit. Ich hing ebenfalls ziemlich unbequem und halb im Wasser (das Ganze spielte sich nur zehn Zentimeter über der Wasseroberfläche ab), meine Haare und ein Ärmel waren nass und so war ich gezwungen, meinen Beobachtungsposten zu verlassen, um trockene Sachen anzuziehen. Ich beeilte mich und kam keine Minute zu früh zurück, denn plötzlich bog sich die halbgeschlüpfte Libelle nach oben, klammerte sich an der Larvenhülle fest und zog mit einem Schwups ihre andere Hälfte auch noch heraus.


Die nächste Dreiviertelstunde brauchte sie, um im Zeitlupentempo ihre Flügel zu entfalten. Es war faszinierend, beim Zuschauen auch das eigene Zeitempfinden kennenzulernen: die Bewegung war so langsam, dass ich sie nicht direkt wahrnehmen konnte. Aber alle paar Augenblicke merkte ich dann doch, dass die Flügel sich wieder ein bisschen verändert hatten, bis sie schließlich herunterhingen wie zarte, weiche Blütenblätter, die von jedem Windhauch bewegt wurden.






Bis zum Nachmittag war "meine" Libelle dann soweit "gereift"  (das klingt etwas merkwürdig, aber es erschien mir tatsächlich wie ein Reifungsprozess), dass sie ihre typische schwarz-goldene Färbung hatte und schließlich auch ihre Flügel ausbreitete. In dieser Haltung saß sie dann vermutlich noch die Nacht über da (vielleicht laufen während dieser Ruhezeit ja noch weitere, mehr innerliche Entwicklungsprozesse ab). Den Jungfernflug habe ich nicht mitbekommen, am nächsten Morgen war sie jedenfalls nicht mehr an ihrem alten Platz.
                                                                                          
  
Im Laufe des nächsten Tages haben noch weitere Libellen an unserem kleinen Teich die Metamorphose vom Wasser- und Schlammbewohner zu einem blitzschnellen geflügelten Räuber der Lüfte vollzogen. Heute war nicht mehr viel los, die meisten Libellen sind weggeflogen, einige saßen noch da. Und ich habe inzwischen auch herausbekommen, um welche Vertreterinnen der großen Familie es sich handelt: Es sind  Vierfleck-Segellibellen, die wie alle Libellenarten zu den bedrohten Spezies gehören, die sich aber doch recht gut halten können - nicht zuletzt dank solcher Gartenteiche wie des unsrigen. Ich schaue das kleine Gewässer seither mit neuen Augen an...

13 Kommentare:

  1. Ist! Ja! IRRE!!!
    Wow, wie toll, das mal zu sehen. Live muss das ja ein absolutes Highlight gewesen sein, trotz unbequemer Stellung. Wie cool, dass Dein Mann von Dir ein Foto gemacht hat - schöne Erinnerung :-)
    Das sind wirklich mal ganz außergewöhnliche Aufnahmen, herzlichen Glückwunsch!
    Ganz liebe Grüße von Petra

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  2. Welch einzigartige Dokumentation ist Dir da gelungen! Die Metamorphose war ja schon im Gange, als das Libellchen an der Pflanze emporsteigt. Am Kopf war die Haut schon geplatzt. Ich bin begeistert und auch von Deinem Durchhaltevermögen bäuchlings! Biologie hautnah!

    begeistert staunt
    Beate

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    1. Solche Bilder gibt es ja viele im Netz, so wie es auch viele Sonnenuntergangs- und Blumenbilder gibt. Es gibt Millionen schlüpfender Libellen - das Wunder liegt im Auge des Betrachters. Es hier und jetzt und zum erstenmal (und ganz unerwartet) selbst zu sehen, das war wirklich aufregend und zum Staunen.

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  3. Ich bin fasziniert. von den Bildern, von dem ganzen Geschehen und ganz besonders von deinem Durchhaltevermögen! Stundenlang in so einer Stellung zu liegen ist mega anstrengend aber das Ergebnis ist großartig. Solche Bilder gibt es wirklich nur in Biobüchern. Dir ist etwas *wunderbares* im wahrsten Sinne des Wortes gelungen liebe Brigitte herzlichen Glückwunsch. Danke fürs Teilen.
    Liebe Grüße
    Papatya

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    1. Ich hab mich zwischendurch schon mal bewegt (ganz abgesehen davon, dass der Mensch auch mal "muss"...;-)) und mir sogar Tee gekocht, gegen die Kälte.

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  4. Wow, das ist wirklich beeindruckend! Unglaublich wie so ein großes Tier in so einer kleinen Larve stecken kann. Den ersten Teil der Bilder finde ich ein bisschen gruselig und ich fühle mich dabei an die Filme "Alien" erinnert.
    Liebe Grüße,
    Kathrin

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  5. Gänsehaut pur! Was für schöne Bilder!
    Wir haben noch immer die Larven hier, und nun haben leider AMSELN :-( den kleinen Teich entdeckt. Die sind so frech und würden die Larven rausfangen.
    Wir haben nun alles zugebaut, das sieht komisch aus, sichert aber die Libellenlarven.
    liebe Grüsse und einen wunderschönen Mai wünscht Dir
    Elisabeth

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    1. Vielleicht erwischst du auch ein paar, wenn sie ausgeschlüpft sind? Dann musst du hier mal zeigen, was für welche in bzw. an eurem Teich wohnen.

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  6. Liebe Brigitte,
    vorhin hatte ich deine Fotos bereits am Handy gesehen und jetzt doch nochmal extra den Rechner hochgefahren, um die Aufnahmen groß anschauen zu können.
    Das ist wirklich toll, was dir da zuteil wurde. Wie gern wäre ich dabei gewesen.
    Die Natur vollbringt wahre Wunder. Libellen sind so schöne und prachtvolle Tiere.

    (Kannst du dir vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich vor ihnen fürchten?
    Zu uns hatte sich mal ein Exemplar durch das offene Fenster im Sommer ins Büro verirrt.
    Der einzige annwesende Mann flüchtete schreiend in den Waschraum. "Weil die doch beißen und stechen könnten." Na ja. Die Libelle fand den Weg zurück ins Freie und es gab weder Tote, noch Verletzte. Irgendwann später erschien auch M. wieder an seinem Schreibtisch...)

    Faszinierte
    Claudiagrüße

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    1. Ehrlich gesagt war ich mir auch nicht 100%ig sicher, ob die so ganz harmlos sind... aber jetzt weiß ich es ja. Große Insekten wirken halt irgendwie gefährlich, aber die kleinen (Schnaken und anderes blutsaugendes Geziefer) sind doch viel übler! :-)

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  7. Das war ein ganz besonderes Erlebnis, deine Geduld und Ruhe haben es auch erst ermöglicht. Wie viele winzige Details und Farben allein aus den Flügeln zu entdecken sind. Die Natur birgt so viele Wunder, die wir zu oft schlicht übersehen. Danke für's Zeigen,
    Birgit

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  8. Sehr beeindruckend, liebe Brigitte. Es war eine Freude den Schlupf und dich so anzuschauen und zu lesen.
    Gruß Roswitha

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  9. Das habe ich ja noch nie gesehen!
    Danke dafür!
    Grüße
    Oona

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