Sonntag, 26. Juli 2015

Adieu, kleiner Franzl...

Das Leben schreibt viele Geschichten, jeden Tag neue. Manche sind heiter, lustig oder einfach schön. Andere sind ernst oder wecken gar traurige Gefühle. Und manche sind wie eine Achterbahn. Da hat einer Glück im Unglück, großes Glück sogar - und am Ende gibt es dann doch kein happy end. 
Damit sich jetzt niemand zu sehr beunruhigt, sage ich es gleich: Diese Geschichte handelt nicht von einem Menschen, sondern von einem Vogel. Einem Star, genauer gesagt. 


Der jüngste Sohn, der eine Ausbildung als Tierarztassistent macht und eben sein erstes Lehrjahr hinter sich hat, brachte ihn am Freitag in einer Pappschachtel von der Arbeit mit nach Hause. Es war ein Starenkind, noch nicht ganz flügge, und es hieß Franzl. Eine Katze hatte es erwischt und ihren Leuten als lebendes "Geschenk" verehrt. Dabei muss sie erstaunlich vorsichtig gewesen sein, denn außer ein wenig Blut neben dem Flügel hatte das Vogeljunge keine sichtbaren Verletzungen. Der Katzenbesitzer brachte es sofort zur Tierärztin, und nach erfolgter Erstversorgung bekam es der Azubi übers Wochenende mit nach Hause und durfte versuchen, es aufzupäppeln.


Er war mit Eifer und Geschick bei der Sache und fütterte das Starenkind alle zwei Stunden mit Delikatessen wie Mehlwürmern, getrockneten Heimchen, Bananenbröckchen und Rosinen. Das größte Problem dabei war, dass das Vogeljunge nicht von selber den Schnabel aufsperren wollte. Dieser Reflex fehlte ihm völlig bzw. war ihm abhanden gekommen. Man musste also immer behutsam das Schnäbelchen öffnen, etwas Futter hineinstecken und dann dem Patienten gut zureden, damit er es auch brav hinunterschluckte. Gleichzeitig galt es, das zarte Geschöpf sanft, aber bestimmt festzuhalten, denn es strampelte immer wieder erstaunlich kräftig mit den Beinchen. Für mich war es etwas ganz Neues und Besonderes, meinem Buben bei einer solchen Arbeit zuzuschauen - es hat mich, ehrlich gesagt, sehr berührt und froh gemacht zu sehen, mit welchem Geschick und mit welcher Freude er das machte.





Dem Kleinen schien es auch ganz gut zu gehen, sein Tschilpen klang zunehmend kräftiger und er machte insgesamt einen recht gesunden Eindruck - nur den Schnabel wollte er auch am zweiten Tag nicht aufmachen.
Und als dann der junge Vogel-Pflegevater wieder einmal nach ihm schaute, lag er ganz still auf der Seite, gab keinen Laut mehr von sich und war auch nicht mehr auf die Beine zu bringen. Eine halbe Stunde später war er tot.


Kleiner Franzl, wir wissen, dass viele, viele Vogeljunge wie du ihre ersten Wochen nicht überleben. Die Natur ist so, und wir nehmen an, dass es so, wie es ist, wohl gut sein muss, auch wenn wir es nicht immer verstehen. Aber um dich haben wir getrauert, weil wir dich ein kleines bisschen kennenlernen durften und uns so sehr gefreut hätten, wenn du groß und stark geworden und in ein, zwei Wochen fröhlich in die Welt hinaus geflattert wärest.  Wir haben dich im Rosenbeet begraben und werden uns, wenn wir unsere Nasen in die Rosenblüten stecken, bestimmt immer wieder an dich erinnern.

13 Kommentare:

  1. Es tut mir sehr leid, dass euer kleines Päppelkind es nicht geschafft hat..
    Mach es gut, kleiner Franzl..
    Alles Liebe
    Bianca

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  2. Oft dauert es nur einen Augen-Blick und ein Lebewesen erobert sich einen Platz im Herzen. Dort hinterlässt es eine Lücke, wenn es fort geht. Aber es hat alles erfahren, was das Leben ist: Freude-Leid, Geborgenheit- Angst, Geburt-Tod. Insofern war es erfüllt und ihr konntet nicht mehr tun. Danke dafür.

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  3. Leider ist die Aufzucht von verletzten Jungvögeln recht schwierig und die Verletzungen viel gefährlicher, als sie scheinen. Schön und gut an Deiner Geschichte finde ich, daß Du Deinen Sohn in einem neuen Licht sehen konntest. Dem Vogelkind ist es leider nicht vergönnt gewesen, erwachsen zu werden. Deinem Sohn aber kannst du dabei zusehen, wie er sich zu einem verantwortungsvollen Erwachsenen entwickelt. LG Gitta

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  4. Ach Mensch, so schade, daß der Kleine es nicht gepackt hat. Ich weiß nicht, wieviele kleine Vogelkinder meine Eltern seinerzeit in diesem Haus schon aufgpäppelt haben... Wenn die kleinen hier Flügge werden, halten wir den Mautz drinnen, damit die Draußen eine Chance haben, flügge zu werden. Leider hat er sie früher oder später dann meist doch erwischt. Meine Kinder sind dann sehr erbost über den Kater, aber das ist nun einmal seine Natur...

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  5. Ich bin berührt von Deiner Erzählung! Kleiner Franzl, lass Deine Seele fliegen.
    Das muss ein schönes Gefühl gewesen sein, den Sohn so zu erleben. Es hat nicht sein sollen, dass der kleine Vogel gross wird, Schade ....
    liebe Sonntagsgrüsse ... hab ich Dir schon gesagt, dass ich mich freue, weil Du wieder so viel hier bist?
    Elisabeth

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  6. Hallo Brigitte,
    witzig ich war gerade bei Dir zu Besuch und las die traurige Geschichte vom Franz als Deine Nachricht aufploppte.
    Ich kann das total gut nachvollziehen, man füttert und kümmert sich alles zwei Stunden und der Piepmaz wächst einem ans Herz und dann ist von jetzt auf nachher alles vorbei. Schön, dass Du so einen lieben Sohn hast, der erinnert mich an meine Tocher, sie hätte auch gefüttert und gebangt.
    Ja, ich verstehe das mit den Flüchtlingen auch, wir haben das hier im Ort sehr gut gelöst, wie ich finde. Und sie sind glaube ich auch aufgenommen worden in der Gemeinschaft, wahrscheinlich weil wir keine große Stadt sind, sondern ein Dorf wo man sich noch verantwortlich fühlt.
    Aber mitten ins Berufschulzentrum, das finde ich schon krass. Und da machen ja hunderte Abi nächstes Jahr und die müssen nun alle noch so spät zum Sport, weil sie's für Abi brauchen. Für uns heißt das immer 45 Minuten einfache Fahrt mit dem Bus und das ist schon sehr umständlich.
    Mitten im Berufschulzentrum sind auch keine Nachbarn vorhanden und wenn ich unsere Flüchtlinge sehe, es ist schon schwierig am Anfang. Ich habe zwei von ihnen im Supermarkt angetroffen und musste ihnen erklären, das manches Obst einen Kilopreis und anderes einen Stückpreis hat - an so was denkt man gar nicht. Und im kleinen Kreis kann man handeln und Bilderlisten machen mit Zeichen für Stück und Kilo, das kannst Du in der Stadt nicht und in so einer Turnhalle fühlt sich doch auch keiner zuständig, obwohl da wohl auch Betreuer mit einziehen. Wir werden sehen...
    Liebe Sonntagsgrüße zu Dir. Geht es Dir denn wieder gut?
    Manu

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    1. Danke, liebe Manu, mir geht es sehr gut.
      Und du hast natürlich recht: diese spezielle Situation mit der Schule ist alles andere als glücklich. Das nährt die Akzeptanzprobleme eher. Ich beneide echt keinen, der für die Unterbringung verantwortlich ist und oft einfach keine andere Möglichkeit sieht, denn er kann die Leute ja auch nicht auf der Straße stehen lassen... Ich wünsche euch Gelassenheit und gute Nerven fürs kommende Schuljahr unter erschwerten Bedingungen! Liebe Grüße!

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  7. Liebe Brigitte,
    ach.
    Wenn ich deine Bilder sehe, kommen mir sofort unsere zahlreichen Pieplinge der vergangenen 2 Balkonsommer in den Sinn.
    Wie haben wir geschaut, gestaunt, uns an ihrer Entwicklung gefreut und auch gebangt. Wache gesessen gegen die Elstern.
    Und doch: manch einer hat es nicht geschafft und zum Schluss war ja die Amselmama gestorben...
    Das Leben bleibt rätselhaft.
    Hoffen wir, dass es euern Franzl im Vogelhimmel an nichts fehlt.
    Unsere großen Kinder in solchen Situationen zu sehen und noch einmal anders kennenzulernen zu dürfen ist ein Geschenk.
    Claudiagruß

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  8. Liebe Brigitte, gerade eben habe ich bei Manu Deinen Kommentar gelesen und bin neugierig geworden. Ich wollte mir die Frau (bwz. ihren Blog) gerne mal anschauen, die meine Gedanken so schön in Worte kleiden kann ;)) Das mit Eurem Franzl tut mir im Herzen weh.. wer weiß, warum der kleine Kerl nur so ein kurzes Leben haben solllte? Herzlichst, Nicole

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  9. Liebe Brigitte,
    mir tut es sehr Leid, dass es der kleine Franzl nicht geschafft hat! Vor allem auch für deinen Buben mit dem großen Herzen, der sich so um das Vogelkind gekümmert hat. Ich find das ganz großartig!
    Alles Liebe Babsy

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  10. Wie schade. Dein Sohn hat sich so liebevoll gekümmert und doch hat Franzl es nicht geschafft.
    Dein Junge hat schöne Hände. Hoffentlich können seine Hände noch vielen verletzten Tieren helfen.
    Viele Grüße,
    Kathrin

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  11. Oh. No. Wie traurig. Schade, um den Kleinen. :/
    Aber ich finde es toll, dass ihr euch um ihn gekümmert habt....

    Mit lieben Grüßen,
    Sarah Maria

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