Wege zu gehen - altbekannte, kürzlich entdeckte oder auch ganz neue - kann zu jeder Tages- und Jahreszeit ein Genuss sein: in der frischen Sommermorgenluft ebenso wie an einem sanftnebligen Herbstvormittag, auf schattigen Waldwegen an einem heißen Nachmittag im Juli oder auch durch verschneites Gelände in der Winterabenddämmerung. Jede Zeit hat ihren Reiz und ihre ganz eigene Stimmung. Jede lässt auch in mir entsprechende "Saiten" mitschwingen, lockt mein Bewusstsein in eine bestimmte Richtung. Beim Gehen kommen nicht nur die Beine in Bewegung, auch Gedanken und Gefühle geraten in Fluss, innere Bilder steigen auf, Erinnerungen werden wach und so manche Sorgen kann ich mit raschen Schritten ein Stück hinter mir lassen.
Wege durch die herbstlicher werdende Landschaft mit ihrem Nebeneinander von prallem Leben und Verfall, Farbenpracht und Verblassen, Licht und Schatten, mit dem mostigen Duft der verfaulenden Falläpfel in der Nase und dem verschleierten Glanz der Morgensonne im Gesicht - nichts gibt mir ein so unmittelbares Gefühl von Wirklichkeit, von Gegenwart, nichts erdet mich stärker als das.
Von Kurt Tucholsky gibt es einen Text, der diese besondere Stimmung ganz wunderbar zum Ausdruck bringt:
Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheuern gebracht
ist, wenn
sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, so müde ist es - wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat - dann ist die fünfte Jahreszeit. Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist - nun ist es vorüber . Nun sind da noch die Blätter und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht. Mücken spielen im schwarzgoldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen ... kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Ein Boot, das flußab gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben - es ruht. So vier, so acht Tage - Und dann geht etwas vor. Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert - und doch alles. Noch ist alles wie gestern: Die Blätter, die Bäume, die Sträucher ... aber nun ist alles anders.... Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören... Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre. Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit. |
Guten Morgen,
AntwortenLöschendiese Interpretation einer fünften Jahreszeit kannte ich noch nicht,
als Rheinländer verbinde ich damit natürlich etwas anderes :-)
Sehr schön geschriebener post mit tollen Bildern, Danke schön dafür
und liebe Grüße, Petra
so ein schöner post! je, gehen bringt nicht nur die beine in gang. zeitlos in allen zeiten... sehr fein!
AntwortenLöschenlieben gruß
dania