Freitag, 15. März 2019

Was wollt ihr? Klimaschutz! Wann wollt ihr's? Jetzt!




Das Wetter war nass und windig, die Stimmung aber richtig gut beim dritten "Friday for future" hier in Heilbronn. Ich hatte mir vorgenommen, diesmal mitzumarschieren - bei diesem Wetter kämen wohl nicht so viele Leute, dachte ich, da könnten die Schüler gut Verstärkung brauchen. Aber weit gefehlt - ein ordentlicher Demonstrationszug von (ich kann schlecht schätzen) sicher ein paar hundert wetterfesten Demonstranten hatte sich versammelt und zog mit Regenschirmen, Transparenten und vielen, vielen selbstgebastelten Pappschildern zwei Stunden lang durch die Stadt.



Und es waren keineswegs nur Schüler. Viele Menschen im Eltern- oder Großelternalter ließen es sich nicht nehmen, die Jungen zu unterstützen. Vielleicht ging es manchen so wie mir: Früher war man auch auf die Straße gegangen, gegen Nachrüstung und Atomraketen (hier waren Pershings stationiert) oder gegen die Kernkraft (das AKW Neckarwestheim ist nicht weit). Aber je älter man wurde, desto komplexer wurden die globalen Probleme und ein Gefühl des Nicht-mehr-Mitkommens beschlich einen manchmal. Wenn selbst die Politiker nicht mehr zum Wohle der Menschen handeln können, weil inzwischen nur noch das Geld regiert und tausend Sachzwänge stärker sind als Vernunft und Einsicht - was kann ich armes Würstchen da schon tun? Ja klar: möglichst oft das Auto stehen lassen, wenig oder kein Fleisch essen, Ökostrom beziehen, auf Flugreisen und Kreuzfahrten verzichten... es ist gut und richtig, bei sich selber anzufangen. Aber kümmert das "da oben" irgendwen? Man müsste mal so richtig laut... aber wie?
Und da stellt sich so ein kleines Mädchen mit langen Zöpfen ganz allein vor den schwedischen Reichstag, bewaffnet mit einem Pappschild, und streikt für ihre - und unser aller - Zukunft. Stellt sich ernsthaft und uneitel, ganz auf ihre Sache konzentriert, vor Politiker und Wirtschaftsexperten und redet Klartext. Und schafft es innerhalb von sechs Monaten, dass rund um den Globus junge Leute sich von ihrer Energie anstecken lassen. Schüler, die wir im Verdacht hatten, total unpolitisch, verwöhnt und nur an ihrem Smartphone interessiert zu sein. Die gehen jetzt auf die Straße und demonstrieren, als hätten sie nie was anderes gemacht:



"WIR SIND HIER, WIR SIND LAUT, WEIL IHR UNS DIE ZUKUNFT KLAUT!"


"LEUTE, LASST DAS GLOTZEN SEIN, REIHT EUCH IN DIE DEMO EIN!"  :)


"Macht ihr eure Hausaufgaben, dann machen wir unsere!" (Aufschrift auf einem Schild).


Ich war beeindruckt und froh, das zu erleben. Auch wenn es natürlich einfach wäre, den jungen Aktivisten vorzuhalten, dass viele von ihnen selber durch ihren Lebensstil (in den sie ja hineingeboren wurden und für den die Generation ihrer Eltern und Großeltern mitverantwortlich ist) ihren Teil zu all den Problemen beitragen. Dass neue Handys, Billigklamotten, Coffee to go und Bestellungen bei amazon nicht besonders gut fürs Klima sind. Aber ich nehme an, dass zumindest einige von ihnen versuchen, bewusster mit diesen Dingen umzugehen, und ich finde, sie haben das Recht, von der Gesellschaft und der Politik zu verlangen, dass diese mit gutem Beispiel vorangehen und die Voraussetzungen für echte Veränderungen schaffen.  Deshalb hoffe ich, dass sie noch eine Weile weitermachen mit ihrem Protest - und dass die, denen er gilt, ihn auch ernst nehmen.

1 Kommentar:

  1. Liebe Brigitte,
    "es ist gut und richtig, bei sich selber anzufangen. Aber kümmert das "da oben" irgendwen? Man müsste mal so richtig laut... aber wie?"
    Beim Lesen bin ich bei deinem Aufrufen stehen geblieben. Sind wir Erwachsenen zu leise - bin ich zu leise?! Genau was du beschreibst, tue ich und anderes mehr. Reicht das? Wie seinerzeit die Quarks-Sendung über das Auswählen und öffentliche Schlachten der schnatternden, süßen, weißen Bio-Gans das i-Tüpfelchen war, dass dazu führte, nun komplett auf Fleisch/Erzeugnisse zu verzichten, hat mich dieses kleine Mädchen mit den Zöpfen zum Nachdenken gebracht. Reicht das, was wir mit unserer Familie tun als Beitrag? Wo, wie kann ich mehr erreichen....dem Betreiber des Puten-Knasts hier verweigern, seine PV-Stromleitung unter unserer Wiese zu vergraben - erklären, warum ich Obst uns Gemüse in eine Salatsoßenflaschen-Pappschachtel packe statt die dünnen Plastikbeutel zu nehmen (die Damen, die selbst Bananen(!) in diese Beutelchen geben habe ich bisher aus eigenem Antrieb -noch- nicht angesprochen), "unserem" Bauern, der uns Heu macht, erklärt, dass wir keine Gülle mehr auf der Wiese möchten, und es ist für ihn, der den Löwenanteil des Heus für sich mitnehmen kann, in Ordnung. Es gibt sicher noch viele andere Orte, an denen ich mehr tun kann, und ich bin auf dem Weg, wie viele, viele auch.
    Dein Post und Aufruf gefallen mir daher so sehr, und werden mich bei nächster Gelegenheit ganz bestimmt daran erinnern und vielleicht sogar sacht uns bestimmt in den Hintern treten.
    Mach´s gut, Birgit

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