Freitag, 8. Dezember 2017

acht

 

Beim Anblick der dünnen Eisdecke auf unserem "Weiher" kam mir gestern spontan dieses bekannte alte Kindergedichtlein in den Sinn:


Vom Büblein auf dem Eis
 
Gefroren hat es heuer noch gar kein festes Eis.
Das Büblein steht am Weiher und spricht so zu sich leis:
„Ich will es einmal wagen,
das Eis, es muss doch tragen!"
 Wer weiß?

Das Büblein stampft und hacket mit seinem Stiefelein.
Das Eis auf einmal knacket, und krach! schon bricht’s hinein.
Das Büblein platscht und krabbelt
als wie ein Krebs und zappelt
mit Schrei'n.

  „O helft, ich muß versinken in lauter Eis und Schnee!
O helft, ich muß ertrinken im tiefen, tiefen See!“
Wär nicht ein Mann gekommen,
Der sich ein Herz genommen,
 O weh!

Der packt es bei dem Schopfe und zieht es dann heraus:
Vom Fuße bis zum Kopfe wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet,
der Vater hat’s geklopfet
                                                     zu Haus.

                                                (Friedrich Güll)
 
Ja, liebe Leute, ich weiß, das Gedicht ist furchtbar altmodisch und moralisierend, mit erhobenem Zeigefinger belehrend und am Ende sogar ziemlich schwarzpädagogisch. Ein Meisterwerk deutscher Dichtkunst ist es auch nicht, wenn auch ganz originell. Ich mag es trotzdem, ebenso wie den guten alten Struwwelpeter und - natürlich auf ungleich gehobenerem Niveau - den unsterblichen "Max und Moritz". Letzteren musste man mir im Vorschulalter nach Auskunft meiner Mutter so oft vorlesen, dass ich ihn schließlich weitgehend auswendig konnte und letztlich wohl damit lesen gelernt habe... und, haha, diese Liebe hat sich wohl vererbt, denn als mein vierjähriger Erstgeborener von seinem kleinen Bruder einmal sehr geärgert worden war, ging er wütend auf ihn los und zitierte Witwe Bolte: "O du Spitz, du Undetüm! Aber wart, ich tomme ihm...!"
Ich habe bei meinen Kindern die Erfahrung gemacht, dass auch sie, Moral hin oder her, solche altmodischen Kindergedichte mögen, wenn man sie recht ausdrucksvoll vorträgt ("Wer weiß...??" - "O weh!!"). Sie mögen alte und neue Gedichte, ernste und lustige, rührende und Quatschgedichte - einfach weil sie Reime und Wortspiele, Rhythmus und Überraschungen lieben. Und vielleicht auch, weil sie merken, wieviel Spaß es Mama oder Papa (oder Oma und Opa) macht, immer mal wieder so ein Wortschätzchen mit ihnen zu teilen und sich gemeinsam daran zu erfreuen. 
Ich denke gerade, ich werde gelegentlich einmal ein paar meiner Lieblings-Kindergedichte hier versammeln, als Anregung für andere Gedichteliebhaber und damit ich sie selber nicht vergesse. 

 

P.S. Eben fiel mir noch ein "Eis-auf-dem-See"-Gedicht ein, eins von Christian Morgenstern, das überhaupt nicht pädagogisch daherkommt, sondern auf kindlicher "Augenhöhe" und wunderbar anschaulich ist und das ich noch viel schöner finde als das oben zitierte (hier: klick).

2 Kommentare:

  1. Den Morgenstern finde ich auch viel lustiger. Da muss man sich nicht so gruseln.
    Lieben Gruß und einen schönen 2. Advent
    Katala

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    1. Kinder gruseln sich ja manchmal ganz gerne ein bisschen - wenns am Ende gut ausgeht! :)

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